Eine Mariendorfer bzw. Karlshorster Institution begeht am 31. Mai seinen 80. Geburtstag:
Fast 37 Jahre war Jürgen Mathuszczyk in Diensten des TVM und seines Nachfolgers BTV vor allem auf der Derby-Bahn, viele Jahre aber auch in der Wuhlheide als Rennsekretär tätig.
Angefangen hat die Berliner Karriere des „Hamburger Jung“ am 1. September 1970 als Mitarbeiter der renntechnischen Abteilung. Dr. Helmut Wolter war damals Präsident, Hans Klemp Rennsekretär, “Mathu“, wie er schon damals der Einfachheit halber genannt wurde, dessen Assistent, der Bau des Mariendorfer Tribünenhauses noch ein zu verwirklichender Traum.
Seitdem hat er verschiedenen Präsidenten oder Vorsitzenden gedient und zum Rennsekretär aufgestiegen. Computer sind heute. Gestern – das war und ist Mathu, in dessen Trabrennsport-Abteilung des Zentralnervensystems im Laufe der Jahrzehnte unzählige Namen, Daten, Fakten, Anekdoten zu den Athleten vor und in dem Sulky gespeichert wurden und auf Abruf hervorgeholt werden konnten – schneller, als ein Elektronengehirn es vermag.
Von Erich Speckmann…
Sein erster großer Mentor bei den Trabern war Erich Speckmann, auf dessen Hof im münsterländischen Everswinkel er so manche Ferien verbracht hat. Neben der heimischen Scholle betrieb Speckmann auch eine Trainieranstalt in Hamburg-Bahrenfeld – die entscheidende Station, auf der sich Jürgen Mathusczcyk noch als Schuljunge mit dem Traber-Virus gründlich und „unheilbar“ infizierte. Die Namen jener von „Specki“ anno dunnemals vorbereiteten Kracher gehen ihm noch heute wie selbstverständlich über die Lippen: Derbysieger Corsaro war dabei, Baden-Baden, Parität, um nur einige zu nennen. Schon damals wollte Mathu, der im Stall Speckmann den „Rang“ eines „Dressman“ bekleidete, will heißen renntags für die ordnungsgemäße Bereitstellung der Besitzerdresse zu sorgen hatte – bei den Galoppern gibt’s dies als echten Job unter der Rubrik Jockeydiener noch heute -, ins Rennsportmetier einsteigen, Traber trainieren, aber offensichtlich war „Specki“ ein weiser und weit vorausschauender Mann und meinte nur: „Lern was Ordentliches!“ So ging’s ab in den Postdienst, aber wann immer es Dienstschluss und Wochenende erlaubten – Bahrenfeld lag fast auf seinem Arbeitsweg -, trieb sich der junge Mann auf den Hamburger Rennbahnen herum, tat erste Schritte im Funktionärswesen als dortiges Rennleitungsmitglied und half bei der Starterangabe. Irgendwann wurde der Wunsch, von Berufs wegen seine Heimat im Trabersport zu finden, übermächtig. Er ließ die Beamtenlaufbahn inmitten von Paketen, Päckchen, Briefmarken sausen und heuerte an jenem schon erwähnten 1. September auf Vermittlung von Heinz-Otto Stemper in fremden West-Berliner Landen an.
Seitdem führte er Tausende von Telefonaten, bastelte Starterfelder zusammen, wobei er sich in Boom-Zeiten oft die Wehklagen derjenigen anhören musste, deren Pferde wegen übervoller Felder aus den Rennen gestrichen wurden, und später das Gegenteil erlebte: Manchmal dauerte es endlos, bis er von der Menge der Teilnehmer her ein akzeptables Programm erstellen konnte. Bekannt war Mathu in der Gilde der Traberleute natürlich wie der sprichwörtlich „bunte Hund“, denn schließlich ging jeder Starter als erstes über seinen Tisch, bevor er im Programm erschien. Nur wer ausschließlich im Januar seine Pferde in Mariendorf an den Start brachte, hatte nie etwas mit ihm zu tun: Das war von je her die Zeit, in der er den Körper zum Wärmetanken der tropischen Sonne auf den Kanaren, Balearen, auf Ceylon, in Thailand preisgab. Der Geist blieb allerdings auch im Urlaub immer ein gar nicht so klitzekleines Bisschen beim Trabrennsport – informiert war er jedenfalls immer bestens, wenn er sich braungebrannt in den Berliner Winter zurückmeldete.
…über Gottlieb Jauß…
Jahrzehnte der erste Ansprechpartner für die zweibeinigen Aktiven im Rennsport – da sind natürlich dicke Freundschaften entstanden. Aus Hamburger Zeiten wollen wir hier nur Kurt Hörmann nennen, mit dem es beim Wiedersehen – inzwischen meist nur noch zur Derbywoche – stets ein besonders großes Hallo gibt, aus Berliner Tagen stellvertretend für all die anderen Gottlieb Jauß. Keiner hat an jenem legendären 7. August 1988 mehr mitgefiebert, gezittert, angefeuert und wenig später freudestrahlend durchgeatmet als Jürgen Mathuszczyk, bis für den Berliner Bayern mit Tornado Hanover gegen 16.51 Uhr die Zielgerade des Derby- Finales zur Straße des Triumphes geworden war. Kaum einer war wohl erschütterter, als am Vormittag des 12. Juli 1999 die böse Kunde vom Unfalltod des Freundes die schnelle Runde auf den Rennbahnen Berlins, ja Deutschlands machte. Unzählige Traberschlachten hat Mathu geschlagen. Nicht nur bei der Abwicklung der Großrenntage, nicht nur bei der Auslosung der Starter in den Derbyvorläufen, die aufgrund von verwickelten Besitz-, Trainer- und Fahrerkonstellationen in der Kürze der Zeit eine logische und logistische Meisterleistung erforderten, stand er mit seiner Bärenruhe wie ein Fels in hektischer Brandung. Auch im Sulky gab der Rennsekretär eine gute Figur ab, „wenn’s auch die Pferde mit mir recht schwer haben“, wie sich der nicht eben Gertenschlanke manchmal selbst auf die Schippe nahm. Fünf Siege in Gästefahren stehen in seiner Bilanz, der letzte – ausgerechnet gegen seinen Mitstreiter Bernhard Breda von der Mariendorfer Bahninspektion herausgefahren – am 1. Mai 1989, dem traditionellen Renntag des Traber FC, mit dem schwierigen Wilder Wein, wobei ihm die Chronisten eine ausgezeichnete Übersicht attestierten. Kein Wunder bei den Tausenden von Rennen, die er bereits damals als sachverständiger Zeuge analysiert hatte. Präpariert hatte ihm Wilder Wein wie auch Ifram Hanover, den letzten seiner Gästefahrer-Trotter am 28. Juli 1993, sein Freund Gottlieb Jauß.
…zum Hamburger SV
Jürgen Mathuszczyk ist dem Rennsport nie ferngeblieben. Mindestens an den Großrenntagen lenken ihn seine Schritte, die ob erheblicher Knieprobleme inzwischen etwas schwerer geworden sind, auf „seine“ Rennbahnen. Der bekennende HSV-Fan widmet sich passiv gern auch dem Fußballsport und leidet sicherlich ein wenig darunter, dass der Hamburger Traditionsklub ein weiteres Jahr in Liga 2 verbringen muss. Wir wünschen Dir, lieber Jürgen, zu Deinem runden Geburtstag alles Gute und noch viele Jahre bei möglichst guter Gesundheit.